Harald A. Summa

Das Internet als elementarer Standortfaktor

Bevor wir über das Internet reden, muss ich etwas klarstellen: Das Internet, oft und gerne einfach nur „das Netz“ genannt, ist gar kein Netz. Zumindest keines, wie es vor unserem inneren Auge erscheint, wenn wir uns ein Netz vorstellen – ebenmäßig gewoben, die Maschen gleich verteilt, selbst eine minimale Abweichung springt sofort ins Auge.

An eine so perfekte Geometrie wie beim Fischer- oder Spinnennetz reicht das Internet nicht heran. Die grundlegende Infrastruktur des Internets sieht eher wie etwas aus, dem Alexander der Große mit seinem Schwert zu Leibe rücken würde. Sehr dicke, aber auch sehr dünne Leitungen und sehr, sehr dicke Knoten an manchen Stellen und andernorts Löcher. Wenn wir über das Internet reden, sollten wir das nicht vergessen: Das Internet ist ein ungleiches Netz.

Doch das Internet ist mehr als Kabel, Switches und angeschlossene Endgeräte und auch deshalb ist die Metapher vom Netz ungenügend. In der Studie „Die deutsche Internetwirtschaft 2015 – 2019“, die eco – Verband der Internetwirtschaft e. V. gemeinsam mit Arthur D. Little erstellt hat, werden die Wertschöpfungsprozesse im Internet daher anhand eines Schichtenmodells beschrieben.

Die Internetwirtschaft besteht aus vier aufeinander aufbauenden Schichten:

  • Die erste Schicht „Network, Infrastructure & Operations“ umfasst Akteure, die einen stationären oder mobilen Zugang zum Internet ermöglichen, indem sie Übertragungswege und Zugangspunkte bereitstellen.
  • Die Akteure der zweiten Schicht „Services & Applications“ setzen auf der Netzwerkinfrastruktur auf und ermöglichen die Bereitstellung vielfältiger Dienste und Inhalte für Unternehmen und Privatpersonen im Internet.
  • In der dritten Schicht finden sich Akteure, bei denen der Schwerpunkt auf „Aggregation & Transactions“ liegt. Sie nutzen teilweise die Dienste der Ebenen 1 und 2, um Inhalte der nachgelagerten Ebene 4 zu aggregieren und zugänglich zu machen.
  • „Paid Content“ ist die vierte Schicht, in der Inhalte generiert oder von Dritten erworben werden, um sie über das Internet kostenpflichtig zu vermarkten.

Die Studie wagt zudem die Prognose, dass die deutsche Internetwirtschaft (über alle vier Schichten hinweg) bis 2019 jährlich voraussichtlich um zwölf Prozent wachsen und 2019 einen Umsatz von circa 114 Milliarden Euro erreichen wird.

Beispiel E-Commerce: Der fest etablierte Geschäftszweig in der deutschen Internetwirtschaft hat im Bereich B2B im Jahr 2015 33,1 Milliarden Euro erwirtschaftet. eco und Arthur D. Little prognostizieren bis zum Jahr 2019 eine Umsatzsteigerung von 15 Prozent auf dann 57,9 Milliarden Euro. Auch der Bereich B2C kann kräftig zulegen. Mit 7,2 Milliarden Euro im Jahr 2015 ist Deutschland hier gemessen am absoluten Online-Umsatz die Nummer eins in Europa. Bis zum Jahr 2019 rechnet die Studie mit einer Umsatzsteigerung von zwölf Prozent auf dann 11,3 Milliarden Euro. Die traditionellen Telekom-Geschäftsfelder Festnetz- und Mobilfunk-Internet-Zugangsnetzwerk weisen im Jahr 2015 einen Umsatz von insgesamt 19,4 Milliarden Euro aus. Im Jahr 2019 werden hier voraussichtlich 24,1 Milliarden Euro umgesetzt.

Damit ist das Internet einer der am schnellsten wachsenden Wirtschaftssektoren und Wachstumstreiber für die gesamte Wirtschaft.

Doch die Zahlen sind Prognosen. Ein Selbstläufer wird das nicht. Das Netz ist, wie schon gesagt, ungleich. Weder sind die Daten gleichmäßig im Internet verteilt, noch sind alle gleichermaßen an der Wertschöpfung beteiligt. Einige Standorte werden profitieren, andere werden abgehängt.

Unser Schichtenmodell zeigt, was passieren muss, damit ein Standort fit gemacht wird für die Internetwirtschaft und die vom Internet abhängigen Branchen (also alle). Unabdingbare Grundvoraussetzung ist eine wettbewerbsfähige Infrastruktur. Ohne verlässliche Verfügbarkeit, herausragende Connectivity, niedrige Latenz und flächendeckende Versorgung mit Breitbandanschlüssen gibt es keine Online-Wertschöpfungskette. Darüber herrscht mittlerweile Konsens und Deutschland gibt dem Thema Priorität: Die „Digitale Agenda“ bringt drei Bundesminister, wie zuletzt bei eco in Berlin, an einen Tisch.
Weniger Einigkeit gibt es in den Debatten, die sich um die Themen der höher gelagerten Schichten drehen. Die Folge ist oftmals Rechtsunsicherheit – ich denke da nicht nur an das große Thema „Privacy Shield“, sondern auch an die Diskussionen um Störerhaftung oder Leistungsschutzrecht und an nationale Alleingänge. Noch immer und viel zu oft, herrscht Unentschlossenheit, wie beispielsweise beim jahrelangen Hin und Her in der Frage der Roaming-Gebühren innerhalb unseres digitalen Binnenmarkts.

Das geht noch besser – und es gibt keinen Grund, warum wir das nicht schaffen sollten. Aus unserer Sicht ist die Lösung einfach: Es braucht dazu eine Internetpolitik aus einem Guss, unternehmerische und technologische Zuversicht sowie die Erkenntnis, dass wir die Digitalisierung sicher nicht aufhalten, aber sehr wohl gestalten können.

ursprünglich erschienen im „German Entertainment and Media Outlook“ von PricewaterhouseCoopers

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