Energiewende und Internetausbau gehen Hand in Hand
Zwei Grundannahmen hinsichtlich des Internets sind so selbstverständlich, dass sie kaum je erwähnt werden. Die eine ist: Das Internet ist dezentral. So war von Anfang es von Anfang an konzipiert und daran hat sich während aller Entwicklungsschritte nichts grundlegend geändert. Die andere ist: Datenleitungen sind keine Einbahnstraße. Daten reisen hin und her. Daten zu verschicken ist im Internet so selbstverständlich wie Daten zu empfangen.
Warum weise ich auf das Selbstverständliche hin? Weil es so selbstverständlich dann doch nicht ist. Netzwerke können auch ganz anders organisiert werden. Unsere Stromversorgung wurde sogar nach diametral entgegengesetzten Prinzipien aufgebaut. Traditionell sorgen nicht viele dezentrale, sondern wenige zentrale Knotenpunkte für die Versorgung. Und in welche Richtung Strom fließt, war sowieso klar.
Der Gedanke, dem freundlichen Nachbarn nicht nur hin und wieder mit Butter oder Milch auszuhelfen, sondern auch mal mit einer Ladung Strom? Lag die längste Zeit ebenso fern wie die Vorstellung, daheim Strom übrig haben zu können. Oder gar entscheiden zu können, ob ich meinen überschüssigen Strom einfach durch die nächste Steckdose dahin schicke, wo er vielleicht gerade gebraucht wird – oder ob ich meinen ungebrauchten Strom nicht doch lieber über Nacht im Keller lagere. Oder vielleicht sogar im Auto?
Vorgestern noch weltfremd, heute dringend geboten
Es gehört zum besonderen Reiz unserer Zeit, dass Dinge, die vorgestern noch weltfremd schienen, heute nicht nur machbar sind, sondern sogar dringend gemacht werden müssen, damit wir es morgen noch miteinander auf diesem Planeten aushalten können. Der Umbau unserer Energieversorgung ist eine durch die Klimakrise ohnehin besonders herausfordernde Aufgabe, die durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine noch einmal deutlich dringender wird.
Das Internet ist dabei nicht nur topografisches Vorbild mit seiner dezentralen Infrastruktur, bei der Daten in alle Richtungen reisen können. Das Internet muss auch noch stärker mit dem Stromnetz zusammenwachsen, damit das Ergebnis, das Smart Grid, leisten kann, was unsere Gesellschaft jetzt in Sachen Verfügbarkeit, Sicherheit, Nachhaltigkeit, Unabhängigkeit und Effizienz braucht. Auf die Daten kommt es an. Sie sind im Smart Grid neben der Energie der zweite, wichtige Rohstoff.
Einige Beispiele:
- In Gebäuden können digitale Zwillinge helfen, die Gebäudetechnik effizienter zu nutzen. Dabei entsteht ein digitales Abbild des Gebäudes samt Rohren, Pumpen etc. Verknüpft mit Sensordaten kann KI dieses digitale Modell das Energiemanagement verbessern.
- Fabriken, besonders die energieintensiven, können durch datenbasiertes Optimieren ihrer Prozessabläufe bei der Kühlung ihrer Maschinen, bei der Produktion und beim Heizen und Kühlen ihrer Büroflächen ihren Energiebedarf weiter senken.
- Im Quartiermanagement geht es darum, Gebäude und lokale Energielieferanten effizient miteinander zu verbinden und Nutzer mit Strom und Wärme zu versorgen. Dabei kommen Wärmepumpen und solarthermischen Anlagen oder auch Erdwärme eine zunehmend wichtige Rolle zu, ebenso Batteriespeichern für Wohnhäuser, Quartiere und Autos.
- In Städten können wir die Energieeffizienz durch die Nutzung von Abwärme aus Industrieanlagen wie Rechenzentren erhöhen, die in Fernwärmenetze eingespeist wird und Wohn- und Geschäftsräume heizen oder kühlen kann. Zur Verknüpfung der Stadt zu einem klimafreundlicheren Gesamtsystem gehört auch das Betrachten von Verkehrsmitteln wie Straßenbahnen und Elektroautos als Gesamtsystem, bei dem nicht nur Menschen und Güter, sondern auch Energie effizient verteilt und genutzt wird.
Die verschiedenen Möglichkeiten, das Speichern, Verteilen und Nutzen von Energie zu optimieren, haben gemein, dass dadurch die Zahl an Geräten, die Daten produzieren und verarbeiten, ebenso zunimmt wie die Datenmenge. Vor allem bei Erneuerbaren Energien und gerade an den Schnittstellen zwischen Akteuren, bei denen es dabei auf eine reibungslose Zusammenarbeit und Connectivity ankommt, wird dabei die bestehende Infrastruktur nicht ausreichend groß, skalierbar und möglicherweise auch sicher sein. Daher, so eine weitere Grundannahme, die selbstverständlich sein sollte, muss beim Aus- und Umbau des Stromnetzes auch die Weiterentwicklung der digitalen Infrastruktur mitgedacht werden.
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