Harald A. Summa + Datacenter

Von Öl, Eisständen und Standortnachteilen

Wenn Daten das neue Öl sind, wäre Hessen das Texas Deutschlands. Frankfurt wäre Dallas und die dortigen Rechenzentren wären die Quelle unseres künftigen Wohlstands. Daten sind aber nicht das neue Öl und deshalb ist an dem Vergleich beinahe alles falsch. Öl ist Öl und Daten sind Daten. Öl und Daten kann man schon allein deshalb nicht miteinander vergleichen, weil Öl eine endliche Ressource ist.

Je mehr Öl wir verbrauchen, desto weniger haben wir davon. Bei Daten jedoch ist es genau umgekehrt. Aber eine Sache immerhin ist an dem Vergleich zwischen Daten und Öl richtig: Daten sind tatsächlich die Quelle unseres künftigen Wohlstands.

Daten sind die Quelle unseres künftigen Wohlstands

Die Digitalisierung, unsere digitale Infrastruktur, Industrie 4.0, das Internet der Dinge, die Gigabitgesellschaft und immer wieder: Daten, Daten, Daten. Dass an Begriffen wie diesen und unserem Umgang damit die Zukunft unserer Gesellschaft, unserer Wirtschaft und der Art wie wir leben und arbeiten abhängt, darf als gesetzt gelten.

Niemand wird ernsthaft behaupten, dass wir uns eine zweitklassige Infrastruktur leisten können. Keiner will, dass wir wirtschaftliche Rahmenbedingungen haben, die uns den Wettbewerb auf dem internationalen Markt erschweren. Niemand will, dass sich die führende Industrienation der EU beim Thema digitale Infrastruktur mit dem Mittelmaß zufrieden gibt.

Trotzdem ist unsere Infrastruktur in mancherlei Hinsicht zweitklassig und das seit Jahren. Der State-of-the-Internet-Bericht von Akamai gibt regelmäßig Auskunft darüber, wie es um die globale Infrastruktur bestellt ist und wie sich einzelne Länder im Hinblick auf verschiedene Merkmale entwickeln.

Internetaustauschknoten behauptet seine internationale Führung seit langer Zeit

Deutschland schneidet hier regelmäßig schlechter ab, als es einem Land von unserem Potenzial und mit unseren Ansprüchen zusteht. Besonders die durchschnittliche Bandbreite fällt hier regelmäßig weit hinter den Erwartungen zurück. Mit rund 15 Megabit pro Sekunde landen wir weltweit auf Rang 25, sind weit entfernt von der Gigabitgesellschaft und selbst das 2014 von der damaligen Bundesregierung gesetzte Ziel – 50 Megabit pro Sekunde bis 2018 für alle – wirkt noch immer sportlich.

Unterdessen meldet der Internetaustauschknoten DE-CIX aus Frankfurt einen Spitzenwert beim Datendurchsatz von mehr als 6 Terabit pro Sekunde. Das ist der weltweit höchste jemals gemessene Datendurchsatz eines Internetaustauschknotens. Ein Ausreißer ist das nicht, Kenner wussten, dass die Marke fällig war: DE-CIX behauptet seine internationale Führung seit langer Zeit.

Rechenzentren sind ein bisschen wie Eisstände

Kennen Sie sich mit dem Verkauf von Eis an einem Sommertag am Strand aus, vielleicht wenigstens theoretisch? Dann wissen Sie, es spricht einiges dafür, dass Frankfurt in einer guten Position ist, seinen Spitzenplatz zu verteidigen. Kennen Sie sich auch mit dem EEG aus? Dann wissen Sie ja, dass das alles andere als ein Selbstläufer ist.

Zunächst zum Eis: Stellen Sie sich vor, Sie haben einen mobilen Eisstand und gehen damit an den Strand. Die meisten Badegäste finden Sie exakt in der Mitte des Strandes, nach links und rechts werden es immer weniger und ganz an den Rändern würden Sie kaum noch Abnehmer für Ihr Eis finden. Wo bauen Sie Ihren Eisstand nun auf? Natürlich in der Mitte. Stellen Sie sich nun aber vor, da steht bereits einer und verkauft sein Eis. Bei dem, das sehen Sie sofort, brummt das Geschäft. Wo bauen Sie Ihren Stand jetzt auf?

Rechenzentren sind ein bisschen wie Eisstände. Eine gute Lage erkennen Sie daran, dass Sie viele Kunden in kurzer Zeit erreichen. In Frankfurt erreichen Sie viele Unternehmen, darunter die hier so wichtigen Banken, in kurzer Zeit, diese Unternehmen erreichen viele Endkunden in kurzer Zeit und weil Frankfurt recht zentral in Europa gelegen ist, sind auch die Nachbarländer gut erreichbar. Und so wie Sie am Strand Ihre Eisbude am besten dort aufbauen, wo die meisten Kunden sind, sollten Sie auch Ihr Rechenzentrum ins Zentrum setzen.

Mehr noch als bei Eisständen gilt in der Datenverkehr: Konkurrenz belebt das Geschäft. Ein Internetknoten wie DE-CIX wird umso attraktiver, je mehr Service Provider angeschlossen sind. Mit jedem neuen Teilnehmer nehmen die Optionen für die vorhandenen Teilnehmer zu. Je mehr Teilnehmer, umso attraktiver ist der Knoten für neue Kunden. Und umso schwieriger wird es für weniger große oder gar vollkommen neue Standorte.

Einige externe Faktoren können wir sehr wohl beeinflussen

Das ist die innere Logik des Systems Internetaustauschknoten und dieser Logik zufolge muss sich das Wachstum von DE-CIX in den nächsten Jahren weiter beschleunigen. Dann gibt es aber noch die äußeren Umstände. Von denen können wir manche nicht beeinflussen. In Frankfurt ist es beispielsweise wärmer als in Island – weshalb wir mehr Energie dafür brauchen, die hier betriebene IT zu kühlen. Wo wir gerade an Island denken: In Frankfurt kommt auch kein heißes Wasser aus dem Boden, weshalb die Energiegewinnung hier kostenintensiver ist.

Andere externe Faktoren hingegen könnten wir sehr wohl beeinflussen. So beispielsweise die Stromkosten. Sie haben einen großen Anteil beim Betrieb von Rechenzentren, zwischen 30 und 40 Prozent der Gesamtkosten in Frankfurt entfallen allein auf den Strom. Wir brauchen mehr Strom, um die Rechenzentren in Frankfurt am Laufen zu halten, als wir für den Frankfurter Flughafen brauchen. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz macht den Strom für die Rechenzentren in Frankfurt noch teurer – und schafft damit einen klaren Standortnachteil und das nicht gegenüber vergleichsweise exotischen Ländern wie Island, sondern gegenüber Frankreich, den Niederlanden oder den nordischen Ländern.

Meistens freue ich mich, dass es in Frankfurt trotzdem so gut läuft. Dann zähle ich all die Vorteile auf, die für den Standort sprechen. Sicherheit, Latenz, Nähe zu den Kunden. Die zentrale Lage. Und die schiere Maße der hier angesiedelten und angeschlossenen Teilnehmer. In der Summe machen es diese Vorteile auf absehbare Zeit schlicht nicht möglich, um Frankfurt herumzukommen. Manchmal aber frage ich mich: Wie viel stärker könnte der Standort eigentlich noch sein, wenn er, was die Stromkosten angeht, nicht weiter benachteiligt würde. Sondern zur Abwechslung vielleicht einmal unterstützt?

Foto © gorodenkoff | istockphoto.com

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