Wie Microsoft ins Rheinische Revier kam
Bedburg und Bergheim: Wer wie ich das Glück hat, in Köln zu wohnen, kennt die beiden Ortsnamen bestimmt. Wer nicht in Köln wohnt oder hin und wieder dort zu tun hat, hat die Namen vielleicht schon mal gehört – und verbindet eventuell sogar etwas damit. Das hat womöglich mit Braunkohle zu tun. In die Nachrichten schafft es die Region selten. Vor einigen Wochen aber war zu lesen, dass Microsoft hier investieren und Rechenzentren bauen will. Es geht um 3,2 Milliarden Euro.
Das ist auch in der kapitalintensiven Rechenzentrumsbranche eine Menge Geld.
Zum Vergleich: Die Summe, die Digital Realty aufbringt, um in den nächsten Jahren in Frankfurt auf dem Grundstück der ehemaligen Neckermannzentrale elf neue Rechenzentren zu bauen, beläuft sich Schätzungen zufolge auf zwischen einer und zwei Milliarden Euro, und das ist eines der größten Projekte derzeit.
Wie kommt es, dass Microsoft ausgerechnet in einer Region so viel Geld auf den Tisch legt, die bislang auf der Landkarte der weltweiten Datennetze nicht gerade als Hotspot bekannt ist? Dazu kann ich etwas erzählen, denn ich hatte das Glück, von Anfang an dabei sein zu dürfen.
Es begann in Indien. Es war im Jahr 2019 und ich war Teil einer Gruppe rund um Prof. Dr. Andreas Pinkwart, der damals in NRW Wirtschaftsminister war. Wir befanden uns auf Erkundungstour und bei einem gemeinsamen Abendessen mit Kollegen in Bangalore kamen wir nicht ganz zufällig auf Rechenzentren und deren Notwendigkeit für nachhaltige IT-Infrastrukturen zu sprechen. Teils mag es die auch für Tecchies wie mich inspirierende Atmosphäre Bangalores gewesen sein, teils sicherlich auch die Aufgeschlossenheit des Ministers. Jedenfalls brauchte es nicht viel, um ihm die Idee schmackhaft zu machen, den Strukturwandel im Rheinischen Revier mit der Ansiedlung von Digitalparks und Rechenzentren zu unterstützen – und so kamen wir überein, dass wir, genauer gesagt Gerd Simon und meine Person – beide als Vertreter des Internetknotens DE-CIX einschlägig vertraut mit der Materie – eine Machbarkeitsstudie durchführen sollten.
Was mir an Professor Pinkwart immer gefallen hat: Wenn er eine Sache anschiebt, dann richtig. Ziel unserer Arbeit waren das, was wir in der Branche Hyperscaler nennen. Das sind die ganz Großen in der Branche, von der es nur eine Handvoll gibt.
Was bei unserer Machbarkeitsstudie herauskam, können Sie zusammengefasst hier nachlesen. Interessante Parallele zum oben erwähnten Projekt Digital Realty/Neckermann: Auch im Rheinischen Revier entsteht das Neue, Digitale aus dem Alten, Untergegangenen. Während es in Frankfurt die Überbleibsel des Versandhändlers sind, in denen die digitale Zukunft entsteht, ist im Rheinischen Revier die Geschichte als Braunkohlerevier entscheidend. Denn aus der damaligen Hochzeit der Schaufelradbagger sind nicht nur die Landschaft prägende Löcher im Boden zurückgeblieben, sondern auch eine nach wie vor intakte und wichtige Stromversorgungsinfrastruktur. Und Strom ist für Rechenzentren in Zukunft noch entscheidender als jetzt schon, benötigt doch Künstliche Intelligenz sehr hohe Stromdichten.
Neben der Stromsicherheit sprachen für den Standort: die Lage mitten in Europa, mit einem Einzugsgebiet von 80 Millionen Menschen, durch das die wichtigsten Glasfasertrassen von Nord nach Süd und Ost nach West liegen. Außerdem gibt es Platz ohne Ende.
Was auf die Studie, die dem Revier beste Voraussetzungen für eine blühende, digitale Zukunft bescheinigte, folgte waren: viele Gespräche. Nicht alle Politiker und Verwaltungschefs, mit denen wir zusammensaßen, teilten die Vision von Professor Pinkwart, Gerd Simon und mir. Zumindest nicht von Anfang an. Wir mussten viel Argumentationskraft aufbringen und große Überzeugungsarbeit leisten. Die Vorbehalte gegen die energieintensive Industrie waren weit verbreitet und sie waren hoch. Das Potenzial für die Schaffung neuer Arbeitsplätze wurde hingegen kaum oder gar nicht gesehen. Vor allem der Ausdauer von Professor Pinkwart und seiner ansteckenden Begeisterung ist es zu verdanken, dass sich schließlich doch eine breite menschliche Allianz pro Hyperscaler fand – was für Microsoft letztlich entscheidend gewesen sein mag, den Geldbeutel auf und den Weg freizumachen, für das, was aus meiner Erfahrung als nächstes passieren wird: Dass die beiden großen Rechenzentren eine große Anziehungskraft entwickeln und viele Unternehmen und Menschen anlocken werden, die an unser aller digitaler Zukunft bauen und das Rheinische Revier fest auf der Landkarte der digitalen Welt verankern werden.
Dafür noch einmal von mir ein recht herzliches Dankeschön, lieber Andreas Pinkwart!
Foto © EwaStudio | Envato Elements Pty Ltd.