Der Finanzsektor zeigt sich technisch innovativ
International relevant ist Frankfurt nicht nur wegen seiner Rolle als Finanzplatz, sondern auch und wegen der vielen Rechenzentren, die Frankfurt in symbiotischer Beziehung mit dem Internetaustauschknoten DE-CIX zur Internethauptstadt Europas gemacht haben. In jüngster Zeit nutzen Finanzunternehmen verstärkt die Chancen der Digitalisierung. Bei der Nutzung einer neuartigen, digitalen Infrastruktur gehören sie sogar zu den Pionieren.
Wenn nun, wie jüngst von PWC ermittelt, „die Cloud-Laune deutscher Banken steigt“, ist das einerseits ein Beweis dafür, dass die Banken innovativer sind als ihr Ruf. Konkret
- setzen 78 Prozent der deutschen Banken auf Cloud-Service,
- wollen 36 Prozent der Nichtnutzer mittel- bis langfristig in die Cloud,
- berücksichtigen 73 Prozent Cloud Computing bereits als festen Bestandteil ihrer Strategie und
- haben 87 Prozent Prozesse zur Überwachung und Steuerung von Cloud-Risiken definiert.
Dieser hohe Grad an Nutzung von Cloud-Services beweist aber auch noch etwas anderes: Dass die Clouds, erstens, sicher sind. Und, zweitens, dass sich Banken von ihrer Nutzung so hohe Vorteile versprechen, dass sie den hohen Aufwand auf sich nehmen, der mit dem Einhalten regulatorischer Anforderungen einhergeht: 76 Prozent der Banken legen obligatorische Compliance-Anforderungen für Cloud-Services vertraglich fest, wobei sie besonderes Augenmerk auf Vereinbarungen über den Ort der Datenverarbeitung sowie das Recht des Instituts legen, Cloud-Dienstleister zu prüfen.
Finanzbranche setzt auf GAIA-X
Zu den Vorreitern zählt die Finanzbranche bei der Nutzung einer digitalen Infrastruktur, die gerade erst am Entstehen ist: GAIA-X. Das europäische Projekt zum Aufbau einer sicheren und souveränen Dateninfrastruktur wird von der Finanzbranche grundsätzlich positiv aufgenommen. In Hessen entsteht derzeit auch schon ein Use Case, der das Potenzial von GAIA-X anschaulich demonstriert.
Worum geht es dabei? Ein wichtiges Ziel von GAIA-X ist es, dass unterschiedlichste Akteure ihre jeweiligen Datenpools sicher und effizient miteinander teilen können. Die Idee dahinter ist simpel: Indem sie ihre Daten zusammenwerfen, können die Akteure gemeinsam Erkenntnisse erlangen, die im Alleingang zu erreichen ihre Datenbasis zu dünn wäre. Wie so oft bei eigentlich simplen Ideen, ist die Umsetzung knifflig. Die Crux am gemeinsamen Datenpool ist, ob der Aufbau einer sicheren, ausreichend dimensionierten Infrastruktur mit ausreichend Speicherkapazität und geringer Latenz gelingt, über die die Akteure mit sicheren Standards kommunizieren können.
„Financial Big Data Cluster“ oder SaferFBDC heißt das GAIA-X-Projekt, das davon ausgeht, dass das klappt. Beteiligt sind bis dato unter anderen das Wirtschaftsministerium in Hessen, das Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik, das Frankfurter TechQuartier, die Deloitte Consulting GmbH sowie die Deutsche Börse AG. Auch DE-CIX ist an der Umsetzung beteiligt und bringt seine Expertise im Bereich digitale Infrastruktur durch Standardisierung der nötigen Interconnections bei.
Die Einbindung von weiteren Partnern wie traditionellen Finanzinstituten, Start-ups, öffentlichen Akteuren und Forschungseinrichtungen ist möglich und vorgesehen. Sie sollen, nach Anwendungsfalls und Berechtigung gestaffelt, Zugang zu relevanten Finanzmarktdaten erhalten.
Aus diesen Daten beispielsweise die komplexen Auswirkungen unterschiedlicher Instrumente der Geldpolitik auf Wertpapiere und Unternehmen besser verstanden werden. Das könnte helfen, die Wirksamkeit finanzpolitischer Entscheidungen zu verbessern. Auch in den Bereichen Risikomanagement und Sustainable Finance könnte eine Auswertung kompilierter Daten helfen, effizienter und effektiver zu werden.
Weil die künftig vorhandene Datenmenge sehr groß sein wird, sollen bei der Analyse Künstliche Intelligenz und Machine Learning unterstützen: Ein weiterer Beweis dafür, wie aufgeschlossen die Finanzbranche inzwischen gegenüber Innovationen aus der IT ist – übrigens nicht nur in Deutschland: Als Pate der GAIA-X AISBL darf ich dabei mithelfen, den European Financial and Insurance Dataspace, eine Erweiterung des Frankfurter Projektes auf Europa, aufzubauen.
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