Harald A. Summa + News im Internet

Die Medienvielfalt, das Internet und das Mindesthaltbarkeitsdatum Ihrer Milch

Laut Medienvielfaltsmonitor der Medienanstalten verlagert sich die Meinungsmacht ins Netz. Immer mehr Menschen nutzen vor allem das Internet, um sich zu informieren: Insgesamt gut 27 Prozent, bei den unter 50-jährigen sogar bereits mehr als jeder Zweite. Gleichzeitig nimmt die Relevanz des Mediums Fernsehen ab, wobei hier vor allem die Öffentlich-Rechtlichen die mit Abstand wichtigsten Sender sind.

Ich habe mir die Ergebnisse der Studie angesehen und finde sie in sich schlüssig. Der Trend ist langfristig, eindeutig und nichts deutet darauf hin, dass sich daran in Zukunft etwas ändern wird. Das Internet wird für die Meinungsbildung immer wichtiger. Ich habe auch keinen Grund, an der Zielsetzung, der Methodik oder den Ergebnissen zu zweifeln, bestimmt kamen sie nach bestem Wissen und Gewissen zustande. Um sich darüber zu informieren, wo sich welche Altersgruppen in Deutschland informieren, bietet der Monitor jede Menge nützliche Fakten. 

Ich möchte den Medienvielfaltsmonitor also keineswegs angreifen oder anzweifeln, aber…

Wenn ich mir den Monitor anschaue, stolpere ich immer wieder über die gleiche Stelle. Es geht um die Aufteilung der Medien in „Zeitschriften“, „Radio“, „Fernsehen“, „Tageszeitung“ und „Internet“. Vielleicht muss man, wie ich, im Herzen der digitalen Infrastruktur zu Hause sein, um die Wahl dieser Rubriken als unnatürlich zu empfinden? Vielleicht reicht es aber auch schon, sich zu fragen: Was wären Zeitschriften und Tageszeitungen, Fernsehen und Radio eigentlich ohne Internet? Könnten die überhaupt noch erscheinen/senden?

Unter der Oberfläche sind alle Nachrichten gleich

Ich denke, die Antwort ist eindeutig: Mir fällt kein Medium ein, das im Jahr 2019 den langen Weg vom Produzenten zum Konsumenten ganz ohne Hilfe des Internets zurücklegen könnte. Mir fällt auch kein Medienschaffender ein, der auf das Internet verzichten könnte, jedenfalls nicht, ohne hinterher einen Bericht darüber zu veröffentlichen, wie schrecklich oder befreiend, wie ungewohnt und vor allem wie unmöglich ein Leben ohne Internet ist. Fast so, als ginge es nicht um 14 Tage ohne Smartphone, sondern um 40 Tage in der Wüste. 

Egal, ob Rundfunk, Print oder Online: Nachrichtenredaktionen ohne Internet sind undenkbar geworden. Gleiches gilt für Produktion und Distribution und, in weiten Teilen, auch für den Konsum von Nachrichten. Die vom Monitor genannten Rubriken sind für mich nicht mehr als eine Oberfläche. Schaut man unter die Oberfläche, sind alle Medien gleich. Unter der Oberfläche löst sich die Nachricht auf in einen Datenstrom, der am Laufen gehalten wird durch unsere digitale Infrastruktur. Das alles – Nachricht, Datenstrom, digitale Infrastruktur – ist so eng miteinander verbunden, dass es, der Einfachheit halber oft und gerne als Ganzes betrachtet wird. Wir nennen es „das Internet“.

Und das ist der Grund, warum ich über die Aufzählung „Fernsehen, Zeitungen, Zeitschriften, Radio, Internet“ stolpere. Für mich ist das Internet kleine gleichwertige Rubrik neben „Fernsehen“ und „Zeitschriften“. Das Internet die Basis. „Das Internet“ ermöglicht es uns, Inhalte wie Texte, Sprache, Bild und Ton als, zum Beispiel, Nachrichten zu konsumieren. Um Zeitung zu lesen, Radio zu hören oder Fernsehen zu schauen, brauche ich keine Zeitung, kein Radio und keinen Fernseher. Ich brauche bloß „das Internet“. Und es ist das elementare Kommunikations- und Recherchemittel, das unter anderem Medien wie Zeitung, Radio und Fernsehen erst möglich macht. Und darüber hinaus werden diese Medien – zusätzlich zu ihrem ursprünglichen Verbreitungsweg – auch noch via Internet verbreitet.

Wer die Studie liest, sollte also nicht den Fehler begehen und denken, dass für fast Dreiviertel aller erwachsenen Deutschen das Internet in der Mediennutzung nachrangig wäre. Wer es nicht glauben mag, kann gerne versuchen, auf jegliche mit Hilfe des Internets geschaffenen Inhalte zu verzichten. Es wird nicht gelingen. Selbst dann nicht, wenn die einzige Lektüre die des Mindesthaltbarkeitsdatums auf der Rückseite der Milchverpackung ist.

Foto © seb_ra | istockphoto.com

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