Harald A. Summa + Homo Oeconomicus Digitalis

Homo Oeconomicus Digitalis, Teil II

Der Homo Oeconomicus Digitalis verlässt sich auf seine digitalen Assistenten. Das entlässt ihn nicht aus der Verantwortung für seine Entscheidungen – und macht Vertrauen umso wichtiger.

Was ist der Unterschied zwischen dem Homo Oeconomicus und dem Homo Oeconomicus Digitalis? Der eine informiert sich gerne und ausführlich. Der andere hat Besseres zu tun. Der eine findet kluge Entscheidungen. Der andere findet Entscheidungen lästig – und lagert das lieber aus: an Makler und Agenten, an Algorithmen und Apps, an KI und Home Assistants.

Das hat Folgen. Sobald der Mensch sich nicht mehr selbst darum bemüht, alle für einen Vorgang relevanten Fakten zu kennen, scheint aus dem aktiven Entscheiden ein passives Abnicken zu werden. Alles andere tritt in den Hintergrund. Den Homo Oeconomicus Digitalis interessieren scheinbar nur noch zwei Ereignisse: Das erste ist das Aufkommen eines Wunsches. Das zweite ist dessen Erfüllung.

Es gibt eine Aufgabe, die auch der Homo Oeconomicus Digitalis nicht auslagern kann

Damit ist der Homo Oeconomicus Digitalis eine Menge Ballast los. Das muss nicht schlecht sein. Viele Unternehmen funktionieren so und zwar gut. Kluge Chefs müssen nicht alle Details kennen, um Kurs zu halten und erfolgreich zu sein. Aber egal, in welchem Umfang sie sich auf externe Kompetenz verlassen, Aufgaben delegieren und ihren Mitarbeitern freie Hand lassen, eine Aufgabe können sie nicht auslagern: Verantwortung.

Und die Verantwortung für die eigene Entscheidung umfasst mehr, als wünschen und Wünsche erfüllt bekommen. Die Verantwortung rund ums eigene Wünschen betrifft auch das, was kaum noch sichtbar im Hintergrund passiert. Es hängt mit Fragen wie diesen zusammen:

  • Welche Ressourcen sind nötig, um meinen Wunsch zu erfüllen?
  • Auf welche Weise werden diese Ressourcen gewonnen?
  • Wie steht es dabei um die Arbeitsbedingungen?
  • Ist die Wertschöpfungskette nachhaltig und fair organisiert?
  • Ist der Preis, den ich bezahle, nur für mich in Ordnung oder auch für alle anderen Beteiligten?

Lauter Fragen, die weh tun. Fragen, die wir uns oft lieber nicht stellen, weil wir uns vor der Antwort fürchten. Oder von denen wir uns wünschen, dass wir sie uns nicht zu stellen bräuchten. Fragen, die uns überfordern, oder anders ausgedrückt: Fragen, um die sich bitte jemand anders kümmern soll. Jemand, dem wir vertrauen können.

Wer das Vertrauen gewinnt, gewinnt eine Goldgrube

Wer könnte dieser Jemand sein? Im Idealfall ist das natürlich exakt der digitale Assistent, der ohnehin für die Wunscherfüllung zuständig ist. Im Idealfall läuft die Abwicklung der Bedürfnisse und Wünsche des Homo Oeconomicus Digitalis dergestalt, dass nicht nur er selbst einen guten Schnitt macht, sondern dass alle Interessen in ausreichendem und vom Wünschenden für gut befundenen Maß berücksichtigt werden. Denn der Homo Oeconomicus Digitalis ist ja kein rücksichtsloser und skrupelloser Egoist, sondern durchaus mitfühlend und um Mitmenschen und Umwelt besorgt – auch wenn er viel zu selten dazu kommt.

Von diesem Idealfall aber sind wir im Moment noch ein Stück entfernt. Tatsächlich ist die Position des vertrauenswürdigen Oberaufsehers über unsere Wunscherfüllung derzeit nämlich noch vakant. Wer sie einmal besetzen wird? Ist noch unklar. Klar ist allerdings: Wer auch immer es schafft, das Vertrauen des Homo Oeconomicus Digitalis zu gewinnen, gewinnt damit gleichzeitig eine Goldgrube.

Foto © NicoElNino | istockphoto.com

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