Mobilität in der Welt nach Corona
Während der Corona-Krise gilt Mobilität als etwas, das es möglichst zu vermeiden gilt. Zwischenmenschliche Kontakte und Infektionsrisiken sollen damit ebenso eingeschränkt werden wie die Ausbreitung regionaler Mutanten. Klar ist, dass sich die Mehrheit der Menschen auf eine Zukunft freut, in der die aktuellen Einschränkungen bei der Mobilität aufgehoben werden. Weniger klar ist, wie diese Zukunft eigentlich aussieht.
Sicher ist immerhin, dass die Mobilität der Zukunft nicht so aussehen kann wie die der Vergangenheit. Gründe dafür gibt es viele, einer ist das Klima. Ein Ansatz, den wir alle in den vergangenen Monaten gelernt haben, ist es, Mobilität zu vermeiden. Dank der IT-Branche ist in vielen Unternehmen Homeoffice eine praktikable Lösung.
Wie Sebastian Jäckle von der Universität Freiburg zeigte, kann das den CO2-Ausstoß deutlich senken:
Bei virtuellen Konferenzen ist der Footprint in der Summe 97 bis 200 mal geringer als bei Präsenzveranstaltungen. Ein enormes Potenzial, das viele, die ihren Job wegen Corona im Homeoffice erledigten, gut genutzt haben dürften. Leider jedoch fällt in der Gesamtbetrachtung selbst diese unter hohen Opfern gebrachte Veränderung kaum auf: Die Menge an CO2 in der Atmosphäre stieg auch während der Corona-Krise und den damit verbundenen Mobilitätseinschränkungen weiter an.
Universelle Lösungen für individuelle Mobilität
Wenn selbst ein so hoher Preis wie der weitgehende Verzicht auf individuelle Mobilität kaum spürbare Auswirkungen auf die Gesamtbilanz hat, lässt das eigentlich nur den Schluss zu, dass wir als Individuen leider wohl doch nur einen sehr eingeschränkten Einfluss auf die Folgen unseres Handels haben. Individuelle Mobilität können wir nur durch universelle Lösungen verbessern. Wir brauchen nicht mehr Verzicht, sondern bessere Angebote.
Diese Erkenntnis habe ich nicht exklusiv, sie ist in der Mobilitätsbranche weit verbreitet – und sorgt auch in diesen sehr wenig mobilen Zeiten für viel Bewegung. Zwei Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit: Der Automobilzulieferer Continental und Amazon arbeiten zusammen, um die Entwicklung und Bereitstellung von Software für vernetzte und autonome Autos zu verbessern. Mit Hilfe von Amazons Cloud AWS und Machine Learning sollen die Datenströme automatisiert verarbeitet und beherrschbar werden. Und VW setzt auf die Microsoft Cloud, um mit Hilfe Azure-Cloud- und Datendiensten automatisierte Fahrerlebnisse schneller auf globaler Ebene zu ermöglichen.
Diesen und vielen weiteren, aktuellen Beispielen ist gemein, dass sie nicht nur die individuelle Fortbewegung im Blick haben, sondern die ganze Flotte oder sogar das gesamte Mobilitätsverhalten der Menschen. Die Effizienz und damit den Komfort zu erhöhen und gleichzeitig die Nachhaltigkeit verbessern, ist die große Aufgabe, vor der die Branche steht und der sie sich mit Projekten und Visionen dieser Art hoffentlich erfolgreich stellt.
Und noch eine andere Gemeinsamkeit sticht bei vielen aktuellen Entwicklungen in der Mobilitätsbranche ins Auge: Eine entscheidende Rolle kommt der IT zu. Hardware und Software dienen nicht nur der Unterstützung, sie sind der wesentliche Bestandteil der modernen Mobilität. Die Zukunft der Mobilität ist datenbasiert. Damit wird die digitale Infrastruktur, die für die Verarbeitung der Daten nötig ist, immer wichtiger.
„Latenz ist die neue Währung“
Die Menge der im Verkehr anfallenden Daten wird durch smarte Lösungen in den und rund um die Fahrzeuge enorm zunehmen. Gleichzeitig wird es bei vielen dieser Daten immer wichtiger, sie schnell zu verarbeiten. „Latenz ist die neue Währung“, schreibt mein DE-CIX-Kollege Thomas King. Weil Daten nicht schneller reisen als das Licht und moderne Mobilitätstechnologien – allen voran das autonome Fahren – Latenzen im einstelligen Millisekundenbereich erfordern, brauchen wir zügig neue digitale Infrastruktur entlang unserer Verkehrswege. Ein Netz aus kleinen, mittleren und größeren Edge- und Cloud-Kapazitäten, das so beschaffen sein muss, dass die darüber verarbeiteten Daten ebenso sicher und unkompliziert reisen können wie die Menschen, deren Mobilität sie ermöglichen.
Keine leichte Aufgabe und auch keine, die ausschließlich originäre Kompetenzen der Automobilbranche erfordert. Das nötige Expertenwissen ist in Unternehmen aus dem Bereich digitale Infrastruktur zu finden, so beispielsweise bei IBM und Colt. Die beiden Unternehmen arbeiten gemeinsam daran, die IBM-Lösung Cloud Satellite auf Colts Edge-Plattform einzusetzen und so die Nutzung von Hybrid-Cloud-Anwendungen am Netzwerkrand zu vereinfachen. Und auch GAIA-X ist ein Projekt, das nicht aus der Mobilitätsbranche heraus entwickelt wurde, aber mit privaten, sicheren und latenzarmen Interconnections viel dazu beitragen kann, dass die Mobilität in der Welt nach Corona komfortabler und nachhaltiger wird.
Bei allen modernen Mobilitätsvorhaben kommt es darauf an, ein sinnvolles und wettbewerbsfähiges Angebot zu schaffen, das für die Nutzer keine Einschränkung darstellt, sondern eine Bereicherung – und damit schließt sich der Kreis zwischen individuellem Mobilitätsverhalten und den universellen Lösungen.
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