Harald A. Summa + Folgenabschätzung

Folgenabschätzung: In der Privatwirtschaft mindestens so wichtig wie in der Politik

Wer sich viel mit Technologie beschäftigt, hört seit einiger Zeit immer öfter den Begriff „Folgenabschätzung“ – gerne auch in seiner englischen Entsprechung „Impact Assessment“. Welche Konsequenzen hat der technologische Fortschritt? Langfristig kann es sich kein Unternehmen leisten, gegen diese wichtige Frage zu wirtschaften.

Neu ist weder die Frage, noch das Problembewusstsein. „Die Klugheit eines Menschen lässt sich aus der Sorgfalt ermessen, mit der er das Künftige bedenkt“, wusste im 18. Jahrhundert schon Georg Christoph Lichtenberg. Was unsere Welt jedoch eindeutig von der Lichtenbergs unterscheidet, ist das Ausmaß: Im Zeitalter sinkender Grenzkosten und enormer Skalierbarkeit, ist Technologie heute zunehmend ein globales und ein Echtzeit-Thema.

Damit ist auch Folgenabschätzung eine globale Herausforderung, auf die wir eigentlich mit einer globalen Verantwortlichkeit reagieren sollten. Doch wie wir alle wissen, sind wir vom globalen Denken immer noch ein ganzes Stück entfernt. Wir erleben sogar eine Renaissance der Partikularinteressen. Wer im Jahr 2019 ein international anerkanntes und durchsetzungsstarkes Gremium für ethisch-technologische Fragestellungen sucht, muss viel Geduld mitbringen.

Pessimisten könnten daraus ableiten, dass niemand verantwortlich dafür ist, die Folgen unseres technologischen und digitalen Fortschritts zu bedenken. Dass wir im Wilden Westen leben. Man kann den Mangel an institutionalisierter Verantwortlichkeit aber auch andersrum sehen: Wo keiner verantwortlich ist, muss jeder Verantwortung übernehmen.

Wer gegen den wichtigsten Grundsatz verstößt, wird langfristig keinen Erfolg haben

Um Verantwortung zu übernehmen, muss man nicht Politiker werden. Vielleicht ist der politische Weg im Moment nicht einmal der beste, denn heutzutage ist die Politik kein einfaches Geschäft. Politiker zu sein, ist schwierig geworden. Einerseits gilt noch immer die alte Klage, dass Politiker immer schon auf den nächsten Wahltermin schielen und weitreichende Entscheidungen darum besonders vorsichtig angehen. Andererseits ist die technische Entwicklung immer schneller getaktet. Gesetze wirken oft schon beim Inkrafttreten gestrig. Damit wirkt Politik oft gleichzeitig kurzsichtig und langsam.

Daraus folgt freilich nicht, dass Politik überflüssig wäre oder gar hinderlich. Rahmenbedingungen schaffen, für Regulierung und Aufsicht sorgen, Anreize setzen und schädliches Verhalten sanktionieren: Das bleiben wichtige Aufgaben, die obendrein in der öffentlichen Hand noch immer am besten aufgehoben sind. Allerdings sind diese Aufgaben eben eher reaktiv, als proaktiv. Und wer einmal verstanden hat, was eine exponentielle Entwicklung bedeutet, wird nicht davon ausgehen, dass sich das in absehbarer Zeit ändert.

Bei der Folgenabschätzung sehe ich daher vor allem den privaten Sektor in der Pflicht – und ich bin zuversichtlich, dass Unternehmen ihre Aufgabe zunehmend ernst nehmen. Sie haben dazu schließlich auch allen Grund. Sie wollen nämlich Geld verdienen. Und Geld verdient noch immer das Unternehmen, dem Menschen Geld geben. Einem Unternehmen, das gegen den wichtigsten Grundsatz der Folgenabschätzung verstößt, wird langfristig jedoch kaum jemand Geld geben wollen. Dieser Grundsatz lautet: Die Technik hat dem Menschen zu dienen.

Den Nutzen für den Menschen in den Vordergrund stellen, konnte übrigens auch schon Lichtenberg. Der ist uns zwar vor allem als Philosoph in Erinnerung geblieben, war aber auch ein Vorreiter in Sachen Risiko- beziehungsweise Kosten/Nutzen-Analyse. Obendrein war Lichtenberg ein unerschrockener Pragmatiker. Darum konnte er beim sorgfältigen Bedenken des Künftigen nicht nur erahnen, was für eine verheerende Folge der Einschlag eines Blitzes in ein von Menschen bewohntes Gebäude nach sich ziehen konnte – sondern war auch in der Lage, einen der ersten Blitzableiter zu erfinden und erfolgreich zu installieren.

„Digitale Ethik – Vertrauen in die digitale Welt“

Heute ist es unter anderen eco – Verband der Internetwirtschaft e.V., die sich als Vorreiter an die Aufgabe machen, die Grundlagen von morgen zu gestalten. Der Verband übernimmt schon seit Jahren Verantwortung für ethische Herausforderungen im Zusammenhang mit der digitalen Transformation und trägt beispielsweise im Rahmen von Selbstverpflichtungsinitiativen erfolgreich zur Einhaltung ethischer Normen bei. Ein prominentes Beispiel ist hier die eco Beschwerdestelle zur Bekämpfung unerwünschter und illegaler Internetinhalte. Jüngstes Beispiel des Engagements ist das Kompendium „Digitale Ethik – Vertrauen in die digitale Welt“. Der Debattenbeitrag soll dafür sorgen, das Thema „Datenschutz“ positiv zu besetzen und Anregungen für künftige Möglichkeiten der verantwortungsvollen Selbstregulierung liefern.

„Digitale Ethik – Vertrauen in die digitale Welt“ kann hier heruntergeladen werden.

Foto © scyther5 | istockphoto.com

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