Harald A. Summa +Günstig heizen mit Abwärme von Rechenzentren

Günstig heizen mit Abwärme von Rechenzentren

Unsere digitale Infrastruktur braucht viel Strom – hilft aber auch dabei, an anderer Stelle Ressourcen einzusparen oder besser zu nutzen. So kann die Abwärme von Rechenzentren dabei helfen, Wohnungen zu heizen. Zwei aktuelle Beispiele zeigen, wie das funktionieren kann.

In Rechenzentren werden Server betrieben. Die verbrauchen Strom, dabei werden sie warm. Stehen viele Server Seite an Seite, heizen sie die Raumluft stärker auf, als ihnen guttut. Damit sie nicht überhitzen, muss die Luft ständig gekühlt werden, was noch mehr Strom kostet und zwar nicht zu knapp: Rund die Hälfte des Strombedarfs im Rechenzentrum entfällt in Mitteleuropa auf die Klimatisierung.

Bei der Kühlung der Server entsteht Abwärme und die geben wir im Moment zum größten Teil einfach in die Umwelt ab. Bis zu 35 Grad Celsius ist die Abluft warm und wenn Sie
dieses Verhalten an jemanden erinnert, der in seinem Wohnzimmer gleichzeitig die Heizung aufdreht und die Fenster öffnet, liegen Sie nicht ganz falsch. Positiv ausgedrückt, besteht hier noch ein gewisses Entwicklungspotenzial.

Nicht jeder hat ein Rechenzentrum in der Nachbarschaft

Der naheliegende Gedanke ist, die Abwärme nicht einfach in die Luft zu pusten, sondern sinnvoll zu nutzen und damit beispielsweise die umliegenden Gebäude zu heizen. Das klingt einfacher, als es ist. Denn die 35 Grad sind zwar wärmer, als ich es im Wohnzimmer haben möchte, aber für meinen Heizungsbetrieb nicht ausreichend. Und die die Abwärme sollte möglichst nah an dem Ort genutzt werden, an dem sie entsteht, aber nicht jeder hat ein Rechenzentrum in der Nachbarschaft stehen und nicht jeder wünscht sich eines.

Wer solche Projekte kosteneffektiv umsetzen will, braucht daher nicht nur die Ressource Abwärme, sondern muss sich sehr gut auskennen mit Energieversorgung. Das ist zum Beispiel Mainova in Frankfurt. Dort sind rund um den Internetknoten DE-CIX viele Colocation-Rechenzentren angesiedelt, so auch etliche von Telehouse. In deren Nachbarschaft entstehen gerade 1.300 Wohnungen, von denen die ersten im nächsten Jahr bezugsfertig sein werden. Auch Büros und Kitas werden dort gebaut. Der größte Teil der Wärmeversorgung soll über die Abwärme aus den Rechenzentren von Telehouse abgesichert werden. 3.000 Menschen mit einem Jahresbedarf von 4.000 Megawattstunden können so umweltschonend heizen. Ein in dieser Größenordnung in Deutschland bislang einmaliges Projekt. 

Kostenlose Energie, für Jahre garantiert

Wirtschaftlich sinnvoll sind solche Vorhaben für Energieversorger derzeit nur, wenn sie die Ressource Abwärme kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen. In Frankfurt ist das der Fall und auch in Zürich, wo mit dem Energieverbund Airport City gerade ein ähnliches Projekt gestartet wurde, will der Rechenzentrumspartner Interxion Schweiz für seine Ressource kein Geld sehen. Aber darum geht es auch nicht. Stattdessen trägt der Anbieter mit seinem Engagement dazu bei, nachhaltig zu wirtschaften und so die Grundlagen für die Branche zu erhalten, die bekanntlich sehr schnell wächst und gerade bei der Energieversorgung mit knappen und kostbaren Ressourcen kalkulieren muss. 

Dass die Abwärme, die hinten aus den Rechenzentren kommt, von genau denselben Anbietern genutzt wird, die sie vorne mit Strom versorgen, ist vielleicht noch kein mustergültiges Beispiel einer Kreislaufwirtschaft, aber ein guter Anfang. Das Potenzial ist enorm. Die Allianz zur Stärkung digitaler Infrastrukturen geht davon aus, dass durch konsequente Abwärmenutzung von Rechenzentren 2030 in Frankfurt am Main sämtliche Wohn- und Büroräume CO2-neutral geheizt werden könnten.

Was die Nutzung von Abwärme außerhalb der großen Standorte angeht, ist es gut denkbar, dass ein sich abzeichnender Rechenzentrumstrend die Hürden senkt. Mit der Verbreitung von Anwendungen, bei denen Latenzen im einstelligen Millisekundenbereich kritisch sind, wird der Bau von Edge-Rechenzentren voranschreiten. Daraus kann ein engmaschiges Netz aus vielen kleinen Rechenzentren entstehen, die überall dort angesiedelt sind, wo sich Menschen aufhalten. Wird bei deren Entwicklung von Anfang an konsequent die Abwärmenutzung mitgedacht, könnte das einen großen Schritt in Richtung effiziente Energienutzung und Nachhaltigkeit mit der digitalen Infrastruktur bedeuten.

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