Harald A. Summa + Smart City

Wie sollen sich Städte und Regionen engagieren?

Smart City Teil 1

Als mich vor einigen Tagen ein Kollege bat, kurzfristig für ihn auf einer Veranstaltung einzuspringen, musste ich nicht lange überlegen. Das lag nicht nur daran, dass es Ekkehart Gerlach war, der mich fragte, es lag auch am Thema. Es ging um die Smart City. Also ein Thema, mit dem ich mich, obwohl es mich seit Jahren umtreibt, noch immer gerne einen ganzen Tag lang mit klugen Köpfen austauschen mag.

Geladen hatte die deutsche ict + medienakademie, deren Geschäftsführer Ekkehart und die Teil von eco ist. Unter dem Motto „Macht ein smartes City-Netz schon eine Smart City?
Damit der Hype um Smart Cities sich erfüllt, muss das Fundament stimmen“ hatten sich ein knappes Dutzend Referentinnen und Referenten und rund 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer gefunden.

Der über allem schwebende Fragenkomplex: Kommunale Unternehmen bauen und/oder betreiben Fest- und Funknetze, ähnlich wie sie dies für Wasser, Strom oder auch Straßen tun. Aber nicht alle tun dies und die Ansätze derjenigen, die es tun, sind durchaus unterschiedlich. Warum also genau tun es die einen und die anderen nicht, wo steckt der Nutzen, im politischen genauso wie im kommerziellen Bereich?

Für viele Städte und Regionen ist die Frage, ob sie selbst in Sachen digitale Infrastruktur tätig werden wollen und wie weit diese Aktivität gehen sollte, etwa bis in die Bereitstellung attraktiver Dienste und Inhalte, noch nicht vollumfänglich beantwortet – oder sie stellt sich immer wieder neu. Von der anderen Seite her betrachtet: Ist auf diesem Markt ein Mehr an kleinteiligem lokalen Wettbewerb ein Garant für Innovation und Kundennähe? Oder sind hier die Skalenvorteile der großen Netz-Player – eben doch ganz anders als bei Straßen – so erdrückend, dass solche Bemühungen vom kommerziellen Ergebnis her nicht so viel Sinn ergeben?

Wie zu erwarten war, brachten die Expertinnen und Experten in den Sessions ganz unterschiedliche Erfahrungen ein. Ergaben sich daraus immer wieder kontroverse Diskussionen, herrschte doch Einigkeit: Smart City ist eines der Querschnittsthemen, das der Bevölkerung viel Lebensqualität verspricht und es privaten wie öffentlichen Akteuren ermöglicht zu beweisen, wozu sie imstande sind. Ich vermute, ich muss Ihnen die Vorteile der Smart City nicht im Detail aufzählen.

Drei gute Gründe für ein öffentliches Engagement

Stattdessen will von meinem privatwirtschaftlichen Hintergrund ausgehend eine Lanze pro öffentliches Engagement treffen. Meine subjektive Erfahrung ist stark vom Aufbau des DE-CIX, also des weltweit größten Internetknotens, geprägt. Meine intuitive Reaktion lautet: Dem von wirtschaftlichen Interessen geleiteten und durch technologischen Fortschritt beflügelten Ambitionen eines Unternehmens werden bürokratisch geführte Projekte kaum etwas entgegensetzen können.

Das ist natürlich eine ebenso selbstgefällige wie kurzsichtige Haltung. Sie lässt beispielsweise vollkommen außer Acht, dass die Versorgung mit einer funktionierenden Telekommunikationsinfrastruktur längst systemkritisch ist. Bei der Versorgung mit Strom, öffentlichem Verkehr oder auch bei der Abfallwirtschaft ist uns die Verlässlichkeit häufig wichtiger als beispielsweise die Innovationskraft – dass die öffentliche Hand hier für Sicherheit und Verfügbarkeit sorgt, gilt nicht als kurios, sondern als Kernaufgabe. Je smarter eine City, desto mehr hängt das Funktionieren der Stadt von der digitalen Infrastruktur ab: Wäre es da nicht geradezu fahrlässig, die Verantwortung hierfür vollständig Privatunternehmen zu überlassen?

Das führt mich direkt zu einem weiteren wichtigen Argument pro öffentliches Engagement. Der Event fand in Köln statt. Wer in Köln den Blick von seinen sich als dringend aufdrängenden To-dos hebt und aus dem Fenster hinaussieht, sieht vielleicht den Dom. Ein Infrastrukturprojekt, das vor mehr als 750 Jahren begann, über 600 Jahre dauerte und der hoffentlich, nein bestimmt noch viele weitere Jahrhunderte Kölns Wahrzeichen bleiben wird und das doch bedeutend jünger ist als Köln selbst. Worauf ich hinauswill? In puncto Beständigkeit hat eine Stadt gegenüber einem Unternehmen einen uneinholbaren Vorsprung. Damit einher geht ein gewisser Vertrauensvorschuss, was die Planungssicherheit angeht. Unternehmen, die in die Smart City investieren wollen, können sich ihrer Investition sehr viel sicherer sein, wenn die City mit am Verhandlungstisch sitzt.

Das führt mich zum wahrscheinlich wichtigsten Argument Punkt pro öffentliches Engagement in der Smart City – das im Idealfall auch weit über das Betreiben bloßer Netze herausgeht: Städte müssen sich gar nicht in die Rolle eines Anbieters unter vielen begeben. Sie stehen nicht im Wettbewerb mit privaten Unternehmen und müssen keine eigenen Produkte entwickeln, die sich behaupten oder gar durchsetzen müssen. Stattdessen können sie sich auf Aufgaben konzentrieren, mit der manches Unternehmen sich noch immer schwertut.

Sie können über den eigenen Tellerrand und den nächsten Jahresabschluss hinaussehen. Sie können gemeinsame Grundlagen schaffen, auf denen langfristige, sehr langfristige Verbindungen entstehen. Mit anderen Worten: Sie können große Teile des intellektuellen, visionären und, warum auch nicht, technologischen Fundaments für das liefern, das aus einer City eine smarte City macht. Couragiert und überlegt handelnd sind sie für diese Aufgabe womöglich besser gerüstet, als manches Unternehmen.

Die komplette Smart-City-Reihe
Teil 1 – Wie sollen sich Städte und Regionen engagieren?
Teil 2 – Wie weit sind wir schon?
Teil 3 – Fehlt uns eigentlich noch irgendetwas?

Foto © metamorworks | istockphoto.com

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