Harald A. Summa + Bauen Sie Ihr Internet doch einfach selbst

Bauen Sie Ihr Internet doch einfach selbst

Ist mein eigenes Unternehmen eigentlich digitalisiert? Wenn Sie mir diese Frage vor fünf Jahren gestellt hätten, wäre die Antwort ein klares „Ja“ gewesen. Schließlich ist DE-CIX mit seinen Internetknoten in Frankfurt und anderswo die Basis der Digitalisierung. Wir helfen anderen bei ihrer Digitalisierung. Wie sollte uns das gelingen, wenn wir nicht selbst Vorbild und somit selbstverständlich digitalisiert wären? 

Hätten Sie mir jedoch die gleiche Frage vor drei Jahren gestellt, wäre meine Antwort etwas bescheidener ausgefallen. „Wir sind teilweise digitalisiert“, hätte ich gesagt, „allerdings haben wir auch noch einige wichtige Herausforderungen zu nehmen.“ Drei Jahre später und manch erfolgreich genommene Hürde später lautet meine ehrliche Antwort: „Mit unserer eigenen Digitalisierung stehen wir eigentlich gerade erst am Anfang.“

Bis es so weit ist, dass ich wieder mit Überzeugung „Ja“ sagen kann und nicht nur DE-CIX, sondern auch die vielen Unternehmen, aus deren Daten und Interconnections der Knoten besteht, digitalisiert sind, wird es wohl noch ein bisschen dauern. Die ehrliche Analyse zeigt, wir stecken noch mittendrin im Transformationsprozess. 

Digitalisierung hat weniger mit Technik zu tun als mit Menschen

Dreh- und Angelpunkt der Digitalisierung sind Daten. Die Datenmengen der nächsten Jahre vorherzusagen, ist keine leichte Aufgabe und Prognosen sind angesichts Technologien wie 5G, dem Internet of Things oder autonomen Fahrzeugen mit einer gewissen Unschärfe versehen. Aber klar ist, es werden sehr viele Daten. Fahrzeuge, mit denen Tests für autonomes Fahren durchgeführt werden, produzieren ein Terabit Daten pro Tag und da sind kommende Services rund um Connected Mobility und Entertainment noch nicht einmal mit eingerechnet. Um das einzuordnen: Die kumulierte Datenmenge, die aktuell über alle DE-CIX-Standorte weltweit übertragen wird, liegt bei 15 Terabit pro Sekunde.

Die Datenmengen von morgen sind schwer zu fassen. Exponentielles Wachstum ist trotz der Erfahrungen mit der Coronakrise für den menschlichen Verstand nicht griffig. Das macht die Digitalisierung oftmals weniger zu einem technischen Prozess – die Technik, aus denen wir das Internet von morgen bauen, ist heute schon in weiten Teilen verfügbar – als vielmehr zu einem Prozess in unseren Köpfen: Digitalisierung beginnt damit, dass wir uns in unseren Köpfen darüber klar werden, welche Prozesse wir digitalisieren wollen und können. Und was wir dafür brauchen.

Der Bedarf an digitalen Infrastrukturen steigt enorm an

Prozesse zu digitalisieren, heißt immer: Daten zu übertragen. Mit der Datenmenge steigen automatisch auch die Anforderungen an die dafür benötigte digitale Infrastruktur. Die Clouds wie wir sie heute kennen sind dabei eine Lösung, die als Zwischenschritt gut geeignet ist. Auf lange Sicht und mit zunehmender Ausdifferenzierung des Angebots – ich gehe davon aus, dass Unternehmen in zehn Jahren aus den Angeboten von 5.000 bis 6.000 Cloud Service Providern wählen können, müssen die Angebote jedoch deutlich flexibler werden.

Unser Bedarf an Rechenzentren wird enorm ansteigen. Die EU-Kommission geht davon aus, dass wir im Jahr 2030 etwa 10.000 Rechenzentren in der EU brauchen werden. Die Zahl der Satelliten im Low Orbit, über die Daten per Laser an verschiedene Punkte auf der Erdoberfläche verteilt werden, wird ansteigen auf bis zu 60.000. Und wir werden sehr viel mehr Internetknoten haben als heute: Der sehr vernünftige Gedanke, lokalen Traffic lokal zu halten, sorgt dafür, dass zusätzlich zu den sehr großen nationalen Internetknoten viele regionale entstehen.

Um mit großen Datenmengen arbeiten zu können, braucht es flexible Interconnection-Angebote

Unternehmen können sich heute stundenweise Supercomputer mieten, um dort große Mengen an Daten schnell bearbeiten zu können. Doch wie kommen die Daten dorthin? Will beispielsweise ein Unternehmen 150 Terabit Daten aus Barcelona am Supercomputer in Jülich bearbeiten, läuft es aktuell oft darauf hinaus, dass die Daten per Spedition auf der Straße transportiert werden, weil entsprechende Angebote für die digitale Datenübertragung zu langwierig, kostspielig und zu umständlich sind. Für dieses Problem unkomplizierte Lösungen zu finden und Unternehmen kurzfristig schnelle Datenverbindungen anzubieten, ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass die bei der Digitalisierung vorankommen. 

Diese Art Herausforderung, tatsächlich weniger Kopfsache als ein technisches Problem, nehmen wir beim DE-CIX mit entsprechenden Interconnection-Services in Angriff. Im Rahmen von Gaia-X arbeiten wir gemeinsam mit anderen Anbietern zusammen ebenfalls daran, die digitale Infrastruktur von morgen zu entwickeln. Das Ziel ist es, dass Anwender beim Arbeiten mit ihren Daten von keinen technischen Barrieren wie fehlenden Standards, zu hohen Latenzen oder mangelnder Bandbreite ausgebremst werden. Verschiedene Akteure beispielsweise aus der Finanz- oder der Mobility-Branche sollen in Data Spaces zusammenkommen, in denen sie schnell Daten teilen und bearbeiten können. 

Ganz wichtig ist dabei das Thema Souveränität. Unternehmen sollen nicht nur souverän darüber entscheiden können, wer welche Art von Nutzungsrechten bekommt, sondern auch, auf welchem Weg ihre Daten übertragen werden. Das ist im öffentlichen Internet, das aus 55.000 autonomen Netzen besteht, nicht möglich. Die sensiblen Anwendungen der digitalisierten Zukunft erfordern aber genau das. Unternehmen müssen daher in eine ausreichend dimensionierte, sichere und flexible Infrastruktur investieren. Sie brauchen „ihr eigenes Internet“. Das bekommen sie allerdings nicht aus der Steckdose – sie müssen schon selbst etwas dafür tun. 

Bild © Quardia | iStockphoto.com

Harald A. Summa
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